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Charta für ein zukunftsfähiges Wettstein-Quartier

Diese Charta ist unsere Absichtserklärung, welche die wesentlichen Leitgedanken des «Quartierlabors Wettstein» zusammenfasst und gilt gleichzeitig als eine Aufforderung an die Politik.

Sie ist das Ergebnis:

  • einer ersten grossen, öffentlichen Quartierlabor-Versammlung im September 2020, bei der rund 100 Ideen und Vorschläge für die Umgestaltung des Quartiers zusammenkamen.

  • der Arbeit einer Begleitgruppe, bestehend aus zehn Anwohner:innen, die zwischen November 2020 und März 2021 die gesammelten Ideen gebündelt und zu vier Leitsätzen zusammengefasst hat.

  • der Vorbereitungsarbeit der Begleitgruppe zwischen April und September 2021, inklusive einer Reihe von Begehungen und Betrachtungen im Quartier zur Entwicklung von konkreten Projekten.

  • der zweiten grossen, öffentlichen Quartierlabor-Versammlung im September 2021, in welcher der Entwurf der Charta mit Projektvorschlägen vorgestellt und diskutiert wurde.

  • des Abschlusses der Charta durch die Begleitgruppe mit einer Sammlung von Projektvorschlägen für die Umsetzung im Anhang.

Diese Charta richtet sich an die Regierung, Verwaltungsstellen und an den Grossen Rat des Kantons Basel-Stadt und fordert diese auf, die unten aufgeführten Massnahmen zu unterstützen, einzuleiten und umzusetzen.

Die Charta versteht sich aber auch als eine Selbstverpflichtung der unterzeichnenden Organisationen, Anwohner:innen des Wettsteinquartiers, der Akteure in der Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft, den formulierten Zielen nachzuleben und diese tatkräftig zu unterstützen.

Damit reiht sich die Charta in die lokalen, kantonalen, nationalen und internationalen Initiativen ein, welche bestrebt sind, die Dekarbonisierung (Verminderung der CO2-Emissionen) aller Lebensbereiche möglichst rasch, effizient und sozial gerecht umzusetzen, die Auswirkungen der Klimaerwärmung für alle Bevölkerungsschichten zu mildern, die Städte klimaresilient und zukunftsfähig umzugestalten und diverse und vielfältige Lebensräume im Sinne der Biodiversität für Mensch und Natur zu schaffen.

Charta

1 Wir, Bewohner:innen des Wettsteinquartiers, anerkennen...

... dass wir eine Mitverantwortung tragen am Klimawandel.

... dass eine Notwendigkeit zum Handeln besteht.

... dass die Klimakrise uns alle angeht und wir als Teil eines privilegierten Landes besonders in der Verantwortung stehen.

... dass technische Lösungen für grundlegende Bedürfnisse wie Wohnen, Mobilität, Arbeit vorhanden sind.

... dass wir durch Eigeninitiative zu einem ressourcenschonenden Verhalten und nachhaltigen Konsum beitragen.

... dass es auf das transparente und im Dialog gefundene Zusammenwirken aller ankommt, damit die Transformationen im Quartier gelingen können.

Und setzen uns für die folgenden Grundsätze und Ziele ein:

  • Wir wollen unser Quartier nachhaltig entwickeln, im Bewusstsein, dass das Quartier, das Zusammenleben und die unmittelbare Umwelt für eine zukunftsgerichtete Entwicklung mitentscheidend sind.
  • Wir wollen angesichts der Klimaerwärmung die Umstellung auf erneuerbare Energien und auf eine andere, klimaschonende Mobilität voranbringen.
  • Wir anerkennen die Notwendigkeit, im Quartier nach Lösungen zu suchen, die für alle Anwohner:innen und Kleinbetriebe annehmbar und wirkungsvoll sind.
  • Wir verstehen unser Quartier als einen Ort, an dem Neues erprobt, gute Lösungen erarbeitet und im gegenseitigen Austausch die besten Ideen umgesetzt werden können.
  • Wir sehen unser Quartier als ein Leuchtturmprojekt für eine nachhaltige, klimaneutrale Quartierentwicklung.
  • Wir anerkennen die Leistungen vom Kanton Basel-Stadt in Sachen Umwelt, Klimaschutz und sozialem Ausgleich, verpflichten aber Regierung und Grossen Rat auf ihre Bekenntnisse und Absichtserklärungen.
  • Wir begreifen die Entwicklung des Quartiers als einen Lernprozess aller Beteiligten und verpflichten uns zu einem offenen, transparenten und konstruktiven Dialog.

2 Wonach wir uns richten

charta

Wir verfolgen im Rahmen des Quartierlabors Wettstein folgende vier Leitsätze

  1. WIR WERDEN AKTIV. Wir erarbeiten in einem partizipativen Prozess unsere Leitziele und Massnahmen. Wir sehen unser Quartierlabor als Pilotprojekt im Rahmen des Stadtklimakonzepts Basel.
  2. WIR WOLLEN EINE ANDERE MOBILITÄT. Wir arbeiten darauf hin, dass sich die Mobilität innerhalb und durch unser Quartier verändert in Richtung einer vom motorisierten Individualverkehr entlasteten, anwohner:innengerechteren, verlangsamten und platzsparenden, fussgänger:innen und fahrradfreundlichen Fortbewegung.
  3. WIR SCHÜTZEN KLIMA UND UMWELT. Wir setzen uns dafür ein, dass das Wettsteinquartier klimaneutral wird, also rasch auf netto null Treibhausgase kommt. Wir setzen uns auch dafür ein, dass Biodiversität, Naturräume und stadtklimatische Entlastungsräume (entsiegelte Flächen) zunehmen.
  4. WIR STÄRKEN DIE NACHBARSCHAFT. Wir fördern den sozialen Zusammenhalt und unterstützen konkrete Aktivitäten. Dabei arbeiten wir mit der Bevölkerung und verschiedenen Akteuren zusammen.

3 Wie wir diese Leitsätze konkret verfolgen

3.1. WIR WERDEN AKTIV

Unser Ziel ist ein zukunftsfähiges Wettsteinquartier. Wir verfolgen dazu die Absicht einer mittel- bis langfristigen Dekarbonisierung. Wir wissen, dass diese Transformation nicht nur eine planerische, technische, ökologische Dimension hat, sondern dass diese Veränderungen uns alle als Gemeinschaft angehen. Wir treiben dies gemeinsam mit den Behörden des Kantons voran, nehmen dabei gleichzeitig Rücksicht auf andere Meinungen und Haltungen und verpflichten uns zur Transparenz und Nachhaltigkeit auch in der Kommunikation.

  • Das bedeutet: Wir betrachten das Quartierlabor als einen Raum für Austausch und Ideen, an dem alle Bewohner:innen aus dem Quartier, sowie Quartierorganisationen gleichberechtigt teilhaben können. Wir respektieren die Diversität in allen Aspekten und achten auf die Vertretung aller.
  • Wir reflektieren unsere jeweilige Position und sind in allem tolerant gegenüber anderen Haltungen. Wir betrachten das Quartierlabor als Lernprozess in einer offenen, experimentellen Situation, in welcher wir Leitziele verfolgen und Massnahmen entwickeln. Wir informieren offen und transparent.
  • Wir betrachten das Pilotprojekt Quartierlabor als unseren Beitrag zur Dekarbonisierung aller Lebensbereiche. Wir fordern in diesem Zusammenhang die Regierung und Politik auf, alle gesamtstädtischen Vorhaben, welche das Ziel netto null Treibhausgasemissionen verfolgen, konsequent und so rasch als möglich umzusetzen.
  • Wir fordern ausserdem alle Immobilien- und Autoeigentümer:innen, Gewerbetreibenden und Konsument:innen im Quartier dazu auf, bei ihren anstehenden Investitions- und Kaufentscheiden wo immer möglich die fossilfreie oder -ärmste Lösung zu wählen.

3.2. WIR WOLLEN EINE ANDERE MOBILITÄT

Wir setzen uns für eine umweltschonende und klimafreundliche Mobilität ein. Wir wollen für alle Verkehrsteilnehmenden eine Mobilität, in der es eine klare Ausrichtung gibt: der Langsamverkehr und Fussgänger:innen haben Vortritt vor dem motorisierten Individualverkehr.

Dies bedingt Massnahmen, und zwar:

  • Das Quartier wird entlang der Quartier- und Hauptsammelstrassen in insgesamt 6 «Superblocks» unterteilt. Innerhalb der «Superblocks» haben Fussgänger:innen Vortritt, und es darf höchstens 20 km/h gefahren werden. Die Verkehrsflächen werden stärker auf die Bedürfnisse von Aufenthalt von Bevölkerung und Beschäftigten sowie des Fuss- und Veloverkehrs ausgerichtet. Die freien Kapazitäten unterbelegter Tiefgaragen, Quartier- und Messeparkings werden zur Reduktion der Strassenparkplätze genutzt. Die Strassenräume werden stattdessen als begrünte Aufenthaltsräume aufgewertet und Kreuzungen sollen als Plätze wahrnehmbar werden.
  • Die Quartier- und Hauptsammelstrassen (Grenzacherstr., Riehenring, äussere Wettsteinallee, Peter-Rot-Str.) werden zugunsten von weniger Lärm und mehr Sicherheit mit einer Temporeduktion auf 30 km/h quartierverträglicher gemacht. Die Fahrbahnen werden redimensioniert. Die hier freiwerdenden Flächen werden prioritär zur Steigerung der Aufenthaltsqualität, für Velo- und ÖV-Spuren sowie den stehenden Verkehr genutzt.

Diese Massnahmen sollen und dürfen auch in Pilotversuchen, beschränkt auf eine bestimmte Zeit mit anschliessender Evaluation, in Etappen eingeführt werden.

3.3. WIR SCHÜTZEN KLIMA UND UMWELT

Wir anerkennen die Notwendigkeit, angesichts steigender Temperaturen eine grüne und blaue Quartierlandschaft zu schaffen, die den Herausforderungen der Klimaerwärmung gewachsen ist. Ein Netz aus Grün- und Gewässerbereichen (Rhein) soll als klimatischer Ausgleichraum zur Verbesserung des Stadtklimas beitragen. Frei- und Naturflächen sollen eine stärkere Bedeutung in der Stadtentwicklung erhalten, da sie auch vielfältige Erfahrungen im Lebensraum ermöglichen.

Dies bedingt Massnahmen, und zwar:

  • Der öffentliche Raum wird mit vielfältiger, standortgerechter Begrünung ökologisch massiv aufgewertet oder für Urban Gardening zur Verfügung gestellt. Vertikale Flächen sind für Fassadenbegrünungen nutzbar. Regenwasser wird gesammelt bzw. Oberflächen werden, wo immer möglich, entsiegelt, damit das Regenwasser versickern kann.
  • Auf den wichtigsten Strassensachsen soll es eine gezielte Beschattung durch Begrünung geben. Die wichtigen Längs- und Querverbindungen werden für den Langsamverkehr attraktiver und begrünter gestaltet.
  • Die grösseren Grün- und Blauräume, welche gegen Hitzeinseleffekte beitragen können, werden in ihrer Funktion als stadtklimatische Entlastungsräume und Naherholungsräume für die im Quartier wohnenden und arbeitenden Menschen gestärkt und besser miteinander vernetzt. Dabei kommen namentlich dem Landhof als umzugestaltender Grünraum und dem zu erneuernden Rheinuferbereich als Blauraum eine besondere Bedeutung zu.

Im Sinn des Laborcharakters werden im öffentlichen Raum kurze bis mittel- fristige «grüne» und «blaue» Interventionen, welche das Stadtklima positiv beeinflussen, vorangetrieben und unterstützt (beispielsweise 50 Bäume in Pflanztöpfen, neue Wasserflächen).

3.4 WIR STÄRKEN DIE NACHBARSCHAFT

Wir nutzen die Möglichkeiten unser Quartier aktiv anders zu gestalten, sodass wir als Gemeinschaft näher zusammenwachsen können.

  • Wir kümmern uns um ein Netz von Orten im Quartier für den sozialen Austausch, Treffen und Veranstaltungen.
  • Wir arbeiten mit der Stadtgärtnerei, um die Möglichkeit verantworteter Hochbeete und gemeinschaftlicher Gärten auf öffentlichem Grund anzuregen.
  • Wir beleben die Strassen- und Platzräume innerhalb der «Superblocks» versuchsweise mit temporären Quartieranlässen und -nutzungen, z.B. Strassenfeste und -märkte, Tanzveranstaltungen, Musik- und Spielnachmittage, Yogasessions, Filmvorführungen, Parking Days, Strassenmöblierung mit Stühlen und Pflanzen, Urban Gardening und SlowUp-Events.
  • Wir unterstützen alle Formen des Zusammenwirkens im Quartier, vom Wochenmarkt und anderen Quartiermärkten über Tausch- und Leihbörsen bis hin zum Quartierfest und der Einrichtung von Spielstrassen und Spielflächen, welche zu einer nachhaltigen Nutzung unseres Lebensraums beitragen.
  • Wir beziehen dabei, soweit möglich, die Bedürfnisse der im Quartier ansässigen Kleinbetriebe mit ein.

ANHANG

  • Projektvorschläge für «Wir wollen eine andere Mobilität»
  • Projektvorschläge für «Wir schützen Klima und Umwelt»
  • Projektvorschläge für «Wir stärken die Nachbarschaft»
  • Projektvorschläge für «Wir setzen uns ein für erneuerbare Energien»